"Betrachte jede Krise als Chance zur Veränderung"

Anti-Aggressivitäts-Training ® (AAT)


Bundesverfassungsrichter Prof. Herbert Landau:
„Ich halte das Anti-Aggressivitäts-Training für eine wichtige Maßnahme im Umgang mit Gewalttätern und habe mich immer dafür eingesetzt, dass es als Sanktion in der Rechtsprechung Berücksichtigung findet.“


Chefredakteur der ZEIT, Giovanni di Lorenzo:
„Linke und Liberale müssen sich damit abfinden, dass es auch junge Täter gibt, die so gefährlich sind, das nur langes Wegsperren oder gar die Ausweisung zu vertreten sind. Hardliner dagegen, dass der Erziehungsgedanke bei Jugendlichen richtig ist und das gut geführte Heime und Anti-Aggressions-Trainings in der Regel mehr helfen als Jahre der Verrohung im Gefängnis.“

 


Was ist ein Anti-Aggressivitäts-Training® ? 

Beim AAT handelt es sich um eine delikt- und defizitspezifische Gruppenmaßnahme für aggressive Intensivtäter. Das Anti-Aggressivitäts-Training® ist eine konfrontativ gestaltete Maßnahme auf der Basis der kognitiv-emotionalen Verhaltenstherapie, deren zentrales Handlungsprinzip die Sensibilisierung des Täters für die Opfer darstellt. Das AAT vermittelt als strukturierte soziale Trainingsmethodik den Teilnehmern handlungs- und erlebnisorientiert Erfahrungen und Einsichten, führt zu Verhaltensänderungen und eröffnet eine Chance zur Integration.



Gründe für ein AAT®

Die Medien berichten immer häufiger von brutalen Gewalttaten - es scheint, als würde die Gewaltbereitschaft unserer Gesellschaft immer weiter ansteigen. Im Jahr 2019 wurden laut polizeilicher Kriminalstatistik 386.517 Fälle von vorsätzlicher einfacher Körperverletzung registriert (vgl. PKS, Bundeskriminalamt, Berichtjahr 2019). Doch warum ist das so und was kann gegen oder besser für die Täter getan werden? Die Beratungsstelle Zweite Chance bietet ein Anti-Gewalt-Training und ein Anti-Aggressivitäts-Training, welche das Ziel verfolgen, die Teilnehmer_innen dabei zu unterstützen das eigene Verhalten zu kontrollierenProvokationen zu bewältigen und Konflikte gewaltfrei zu lösen. Die Teilnehmer_innen sollen dahingehend bestärkt werden, dass sie Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen und für sich neue Handlungsalternativen erarbeiten.


Unterscheidung Anti-Aggressivitäts-Training (AAT) und Anti-Gewalt-Training (AGT)

Im Unterschied zum AGT ist das AAT durch das deutsche Marken und Patentamt geschützt. Damit einher gehen Qualitätsstandards, wie der äußere Rahmen (Angebot richtet sich an eine Gruppe, Altersgrenzen, Gruppengröße) oder die Vorgabe der ausgeschlossenen Tätergruppen (Sexualstraftäter_innen, Mitglieder organisierter Kriminalität, psychisch kranke Personen (Suizidgefährdete) und emotional labile Personen, Personen mit einer Intelligenzminderung, akut Suchtmittelabhängige, Stalker_innen, Amokläufer_innen, Täter häuslicher Gewalt/ Beziehungsgewalt (Gewalt im sozialen Nahraum).
Um auch Einzelgespräche und ein Angebot für viele der ausgeschlossenen Tätergruppen anbieten zu können bietet die Beratungsstelle Zweite Chance das Anti-Gewalt-Training an.



Ablaufplan des AATs® in der Beratungsstelle Zweite Chance in Bremen:

Termin

Zielsetzung 

Methode

1. - 4. Sitzung

Integrationsphase/ Biografische Phase

Erläuterung der Inhalte, Ziele und Methoden. Förderung und Aufbau der Motivation

Beziehungsaufbau

KFAF; STAXI-2; FPI-R

Biografie

Rosenzweig 

5. - 10. Sitzung 

Konfrontationsphase

Herstellung der Opferperspektive

Kritische Reflexion von Denk- und Handlungsmustern

Opferfilme 

Opferinterviews

Opferbrief - Tathergangsanalyse

Heiße Stühle

Selbstbild zwischen Ideal- und Realselbst

11.- 19. Sitzung

Konfrontation/ Gewaltverringerungs-phase

Provokationstest/ Körperthrill

Entwicklung von Schuldgefühlen/ Empathie

Statuswippe

ABC-Formel

Systemische Aufstellung

20. - 23. Sitzung 

Nachbetreuung/ Rückfallvermeidung 

Umsetzung alternativer Handlungsstrukturen 

Rollenspiel mit Videoreflexion

Rückfallvermeidungs- pläne

Gewaltdreieck

Rückfallspirale

24. Sitzung

Abschluss


Gruppengespräch

Posttesting bspw. Rosenzweig

Evaluation

 


Je nach Gruppenzusammensetzung finden folgende begleitende Themen und Aktivitäten statt:
 
  • Mixed Martial Art zum Kennenlernen eigener körperlichen Grenzen, Einführung in sinnvoller Freizeitgestaltung und Zielgerichtetes Ausleben angestaunter Aggression ohne Fremdschädigung 
  • Übungen zur Stärkung von Vertrauen 
  • Progressive Muskelentspannung nach Jacobson
  • Gemeinsames Essen zur Stärkung der Gruppenzugehörigkeit 
  • Drogenabusus 
  • Ehre 
  • Fanspezifische Gewalt
  • Rechtsextremismus/ Linksextremismus 

Inhaltliche Ansätze des Anti-Aggressivitäts-Trainings®

Zugrunde liegender Ansatz

Lerninhalte

Lernziele

Aggressivitätsauslöser (Bandura)


Provozierende Situationen?

Wann ist für den Teilnehmer Gewalt zwingend notwendig? 

Alkohol/ Drogen als Verstärker?

Infragestellen zwingender Notwendigkeiten. 

frühzeitiges Erkennen gewaltaffiner Entwicklungen Rückzug/ Schlichtung als Handlungsalternative.

Selbstbild zwischen Ideal- und Realselbst (Joffe/Sandler)



Ideal als hart, unbeugsam, „cool“ und gnadenlos

Reales Selbst leicht kränkbar, wenig selbstbewusst und als Versager abgestempelt.

Widerlegung der Hypothese der Teilnehmer „Härte macht unangreifbar“

Akzeptanz kränkbarer Persönlichkeitsanteile

Neutralisierungstechniken

(Sykes/Matza)


Auseinandersetzung mit Tat

Analyse Rechtfertigungen

Legendenbildung

Konfrontation der Neutralisierungen 

Folgen für das Opfer

Wecken von Schuld- und Schamgefühl

Übernahme von Verantwortung 

Veränderung des Selbstbildes

Opferkommunikation (Rossner/Kuhn)

Ängste, Behinderungen, Trauer, Schmerzen von Gewaltopfern

Fiktiver Opferbrief

Opfereinfühlungsvermögen

Mitgefühl und Betroffenheit wecken

Aggressivität als Vorteil (Bandura)

Gewalttätige Unterwerfung zur Erhöhung Selbstwerts, Anerkennung/Respekt durch eingeschüchterte Peergroup

Kosten-Nutzen-Analyse: Jede weitere Körperverletzung kann Jahre an erneuter Haft kosten

Provokationstests unter aktuellem Bezug (Farelly/Matthews)


Hierarchie irritierende kommunikative Situationen als Trigger 

Trotz Provokation gelassen Austesten eigener Grenzen im kontrollierten Umfeld

Subkultur (Polsky)

Welche Rolle verlangt welches Verhalten? Infragestellen der aggressiven Führungsrolle

Analyse von Gruppenstrukturen Steigerung der Antizipation bei Gruppenzwängen

Institutionelle Gewalt (Waldmann)


Durchleuchten der justiziellen Wege 

Subjektiv empfundene Erniedrigungen und Angriffe auf Identität 

Feedback Trainer bezüglich der Gefahr der Identitätszerstörung

Beschwerdestrategien gegen Ungerechtigkeiten statt spontane Bedrohungen von Mitarbeitern oder Sachbeschädigung

 

Forschung

Die aktuellste Evaluation des Anti-Aggressivitäts-Trainings® stammt von Prof. Dr. Wolfgang Feuerhelm, Universität Mainz 2007. Darin heißt es resümierend: Bezogen auf die Gesamtteilnehmerzahl wird nur eine Minderheit, nämlich ein Drittel der insgesamt einbezogenen Personen wieder einschlägig rückfällig. Noch positiver erscheint das Bild, wenn man auf die Rückfallzeiten abhebt: Drei Viertel der Kursteilnehmer_innen werden innerhalb des ersten Jahres nach dem Kurs nicht wieder im Gewaltbereich auffällig. Prof. Feuerhelm spricht von den reflexionsfördernden und gewalthemmenden Resultaten des AATs, die für eine weitergehende Persönlichkeitsreifung ausschlaggebend sein können. (http://www.konfrontative-paedagogik.de/forschung/aat-forschung-kompakt; Stand 31.03.2019).


Rechtsgrundlage

Das AAT® findet seine Legitimation durch verschiedene rechtliche Anwendungsbereiche:

  • Hilfe zur Erziehung gem. § 27 SGB VIII, 
  • Soziale Gruppenarbeit (§ 29 SGB VIII), 
  • Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII), 
  • Stationäre Unterbringung (§ 34 SGB VIII),
  • Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 SGB VIII),
  • Weisung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 JGG als isolierte Erziehungsmaßregel, 
  • Bewährungsweisung in Form eines sozialen Trainingskurses im Rahmen der Jugendhilfe gem. §§ 27, 29 SGB VIII,
  • soziales Training § 7 Abs. 2 Nr. 6 StVollzG als besondere Hilfs- und Behandlungsmaßnahme,
  • Weisung im Rahmen eines Gerichtsverfahrens (§ 10 JGG Abs. 1),
  • Einstellung eines Gerichtsverfahrens (§§45, 47 JGG),
  • Nachbetreuung (Hilfe für junge Erwachsene §41 SGB VIII),
  • Urteil mit Bewährungsbeschluss und Weisung §56c StGB


Daten und Fakten zum Anti-Aggressivitäts-Training® in der Beratungsstelle Zweite Chance in Bremen 

Sollte die Bedingungen für ein Anti-Aggressivtäts-Training nicht erfüllt sein, so schauen Sie sich bitte unsere Anti-Gewalt-Training an.

Dauer

Dauer des gesamten Trainings: 5-6 Monate

Dauer einer Sitzung: Mehrstündig (abhängig von der Gruppengröße)

Terminintervall

Die Sitzungen finden im wöchentlichen Turnus statt

Gruppengröße

8-12 Teilnehmer - Bei Bedarf werden Gruppen speziell für weibliche Teilnehmerin angeboten

Gründe für die Teilnahme 

  • Verfestigtes Gewaltverhalten
  • strafrechtlich durch wiederholte Gewalt- oder Körperverletzungsdelikten auffällig geworden 
  • Vermeidung von Stadionverbot 

Ausschluss

  • Sexualstraftäter_innen
  • Mitglieder organisierter Kriminalität
  • psychisch Kranke
  • akut Suchtmittelabhängige
  • Stalker_innen
  • Amokläufer_innen
  • häusliche Gewalt/Beziehungsgewalt 
  • Intelligenzgeminderte 

Alter

Ab dem 15. Lebensjahr

Anlassdelikte für das Training

  •  § 223 StGB Körperverletzung 
  • § 224 StGB schwere Körperverletzung 
  • § 185 StGB Beleidigung 
  • § 240 StGB Nötigung 
  • § 253 StGB Erpressung

Kosten und Kostenübernahme

Es besteht eine Leistungs- und Entgeldvereinbarung nach § 77 SGB VIII mit dem Land Bremen. Eine Übernahme der Kosten kann dementsprechend durch das Amt für Soziale Dienste (AfSD) erfolgen. Ebenso besteht die Möglichkeit, dass der Ambulante Justizsozialdienst (AJSD) oder das Regionale Beratungs- und Unterstützungszentrum Bremen (ReBUZ) Kosten des Trainings übernehmen.

Gerne unterstützen wir Sie vorab bei der entsprechenden Beantragung. Sollte eine Kostenübernahme nicht möglich sein, besteht die Möglichkeit die Kosten als Selbstzahler zu tragen.

Als Selbstzahler belaufen sich die Kosten auf 95,00 € pro Teilnehmer_in und mehrstündiger Sitzung. Im Falle einer einer Kostenübernahme durch das AfSD, dem ReBUZ oder dem AJSD orientieren sich die Kosten an den geltenden Fachleistungsstundensatz.