Bundesverfassungsrichter Prof. Herbert Landau:
„Ich halte das Anti-Aggressivitäts-Training für eine wichtige Maßnahme im Umgang mit Gewalttätern und habe mich immer dafür eingesetzt, dass es als Sanktion in der Rechtsprechung Berücksichtigung findet.“
Was ist ein Anti-Aggressivitäts-Training® ?
Beim AAT handelt es sich um eine delikt- und defizitspezifische Gruppenmaßnahme für aggressive Intensivtäter. Das Anti-Aggressivitäts-Training® ist eine konfrontativ gestaltete Maßnahme auf der Basis der kognitiv-emotionalen Verhaltenstherapie, deren zentrales Handlungsprinzip die Sensibilisierung des Täters für die Opfer darstellt. Das AAT vermittelt als strukturierte soziale Trainingsmethodik den Teilnehmern handlungs- und erlebnisorientiert Erfahrungen und Einsichten, führt zu Verhaltensänderungen und eröffnet eine Chance zur Integration.
Gründe für ein AAT®
Die Medien berichten immer häufiger von brutalen Gewalttaten - es scheint, als würde die Gewaltbereitschaft unserer Gesellschaft immer weiter ansteigen. Im Jahr 2019 wurden laut polizeilicher Kriminalstatistik 386.517 Fälle von vorsätzlicher einfacher Körperverletzung registriert (vgl. PKS, Bundeskriminalamt, Berichtjahr 2019). Doch warum ist das so und was kann gegen oder besser für die Täter getan werden? Die Beratungsstelle Zweite Chance bietet ein Anti-Gewalt-Training und ein Anti-Aggressivitäts-Training, welche das Ziel verfolgen, die Teilnehmer_innen dabei zu unterstützen das eigene Verhalten zu kontrollieren, Provokationen zu bewältigen und Konflikte gewaltfrei zu lösen. Die Teilnehmer_innen sollen dahingehend bestärkt werden, dass sie Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen und für sich neue Handlungsalternativen erarbeiten.
Unterscheidung Anti-Aggressivitäts-Training (AAT) und Anti-Gewalt-Training (AGT)
Im Unterschied zum AGT ist das AAT durch das deutsche Marken und Patentamt geschützt. Damit einher gehen Qualitätsstandards, wie der äußere Rahmen (Angebot richtet sich an eine Gruppe, Altersgrenzen, Gruppengröße) oder die Vorgabe der ausgeschlossenen Tätergruppen (Sexualstraftäter_innen, Mitglieder organisierter Kriminalität, psychisch kranke Personen (Suizidgefährdete) und emotional labile Personen, Personen mit einer Intelligenzminderung, akut Suchtmittelabhängige, Stalker_innen, Amokläufer_innen, Täter häuslicher Gewalt/ Beziehungsgewalt (Gewalt im sozialen Nahraum).
Um auch Einzelgespräche und ein Angebot für viele der ausgeschlossenen Tätergruppen anbieten zu können bietet die Beratungsstelle Zweite Chance das Anti-Gewalt-Training an.
Termin | Zielsetzung | Methode |
1. - 4. Sitzung Integrationsphase/ Biografische Phase | Erläuterung der Inhalte, Ziele und Methoden. Förderung und Aufbau der Motivation Beziehungsaufbau | KFAF; STAXI-2; FPI-R Biografie Rosenzweig |
5. - 10. Sitzung Konfrontationsphase | Herstellung der Opferperspektive Kritische Reflexion von Denk- und Handlungsmustern | Opferfilme Opferinterviews Opferbrief - Tathergangsanalyse Heiße Stühle Selbstbild zwischen Ideal- und Realselbst |
11.- 19. Sitzung Konfrontation/ Gewaltverringerungs-phase | Provokationstest/ Körperthrill Entwicklung von Schuldgefühlen/ Empathie | Statuswippe ABC-Formel Systemische Aufstellung |
20. - 23. Sitzung Nachbetreuung/ Rückfallvermeidung | Umsetzung alternativer Handlungsstrukturen | Rollenspiel mit Videoreflexion Rückfallvermeidungs- pläne Gewaltdreieck Rückfallspirale |
24. Sitzung Abschluss | Gruppengespräch Posttesting bspw. Rosenzweig Evaluation
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Zugrunde liegender Ansatz | Lerninhalte | Lernziele |
Aggressivitätsauslöser (Bandura) | Provozierende Situationen? Wann ist für den Teilnehmer Gewalt zwingend notwendig? Alkohol/ Drogen als Verstärker? | Infragestellen zwingender Notwendigkeiten. frühzeitiges Erkennen gewaltaffiner Entwicklungen Rückzug/ Schlichtung als Handlungsalternative. |
Selbstbild zwischen Ideal- und Realselbst (Joffe/Sandler) | Ideal als hart, unbeugsam, „cool“ und gnadenlos Reales Selbst leicht kränkbar, wenig selbstbewusst und als Versager abgestempelt. | Widerlegung der Hypothese der Teilnehmer „Härte macht unangreifbar“ Akzeptanz kränkbarer Persönlichkeitsanteile |
Neutralisierungstechniken (Sykes/Matza) | Auseinandersetzung mit Tat Analyse Rechtfertigungen Legendenbildung Konfrontation der Neutralisierungen Folgen für das Opfer | Wecken von Schuld- und Schamgefühl Übernahme von Verantwortung Veränderung des Selbstbildes |
Opferkommunikation (Rossner/Kuhn) | Ängste, Behinderungen, Trauer, Schmerzen von Gewaltopfern Fiktiver Opferbrief | Opfereinfühlungsvermögen Mitgefühl und Betroffenheit wecken |
Aggressivität als Vorteil (Bandura) | Gewalttätige Unterwerfung zur Erhöhung Selbstwerts, Anerkennung/Respekt durch eingeschüchterte Peergroup | Kosten-Nutzen-Analyse: Jede weitere Körperverletzung kann Jahre an erneuter Haft kosten |
Provokationstests unter aktuellem Bezug (Farelly/Matthews) | Hierarchie irritierende kommunikative Situationen als Trigger | Trotz Provokation gelassen Austesten eigener Grenzen im kontrollierten Umfeld |
Subkultur (Polsky) | Welche Rolle verlangt welches Verhalten? Infragestellen der aggressiven Führungsrolle | Analyse von Gruppenstrukturen Steigerung der Antizipation bei Gruppenzwängen |
Institutionelle Gewalt (Waldmann) | Durchleuchten der justiziellen Wege Subjektiv empfundene Erniedrigungen und Angriffe auf Identität | Feedback Trainer bezüglich der Gefahr der Identitätszerstörung Beschwerdestrategien gegen Ungerechtigkeiten statt spontane Bedrohungen von Mitarbeitern oder Sachbeschädigung |
Forschung
Die aktuellste Evaluation des Anti-Aggressivitäts-Trainings® stammt von Prof. Dr. Wolfgang Feuerhelm, Universität Mainz 2007. Darin heißt es resümierend: Bezogen auf die Gesamtteilnehmerzahl wird nur eine Minderheit, nämlich ein Drittel der insgesamt einbezogenen Personen wieder einschlägig rückfällig. Noch positiver erscheint das Bild, wenn man auf die Rückfallzeiten abhebt: Drei Viertel der Kursteilnehmer_innen werden innerhalb des ersten Jahres nach dem Kurs nicht wieder im Gewaltbereich auffällig. Prof. Feuerhelm spricht von den reflexionsfördernden und gewalthemmenden Resultaten des AATs, die für eine weitergehende Persönlichkeitsreifung ausschlaggebend sein können. (http://www.konfrontative-paedagogik.de/forschung/aat-forschung-kompakt; Stand 31.03.2019).
Rechtsgrundlage
Das AAT® findet seine Legitimation durch verschiedene rechtliche Anwendungsbereiche:
Daten und Fakten zum Anti-Aggressivitäts-Training® in der Beratungsstelle Zweite Chance in Bremen
Sollte die Bedingungen für ein Anti-Aggressivtäts-Training nicht erfüllt sein, so schauen Sie sich bitte unsere Anti-Gewalt-Training an.
Dauer | Dauer des gesamten Trainings: 5-6 Monate Dauer einer Sitzung: Mehrstündig (abhängig von der Gruppengröße) |
Terminintervall | Die Sitzungen finden im wöchentlichen Turnus statt |
Gruppengröße | 8-12 Teilnehmer - Bei Bedarf werden Gruppen speziell für weibliche Teilnehmerin angeboten |
Gründe für die Teilnahme |
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Ausschluss |
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Alter | Ab dem 15. Lebensjahr |
Anlassdelikte für das Training |
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Kosten und Kostenübernahme | Es besteht eine Leistungs- und Entgeldvereinbarung nach § 77 SGB VIII mit dem Land Bremen. Eine Übernahme der Kosten kann dementsprechend durch das Amt für Soziale Dienste (AfSD) erfolgen. Ebenso besteht die Möglichkeit, dass der Ambulante Justizsozialdienst (AJSD) oder das Regionale Beratungs- und Unterstützungszentrum Bremen (ReBUZ) Kosten des Trainings übernehmen. Gerne unterstützen wir Sie vorab bei der entsprechenden Beantragung. Sollte eine Kostenübernahme nicht möglich sein, besteht die Möglichkeit die Kosten als Selbstzahler zu tragen. Als Selbstzahler belaufen sich die Kosten auf 95,00 € pro Teilnehmer_in und mehrstündiger Sitzung. Im Falle einer einer Kostenübernahme durch das AfSD, dem ReBUZ oder dem AJSD orientieren sich die Kosten an den geltenden Fachleistungsstundensatz. |